Am 4. Jänner 2021 feierte Arik Brauer seinen 92. Geburtstag, am 24. Jänner 2021 verstarb er. Sein ‚beinhartes Protestlied‘ Sein Köpferl im Sand aus dem Jahr 1971 ist unverändert gültig.
Das ist ein beinhartes Protestlied. Allerdings richtet sich die Kritik nicht gegen eine bestimmte Gruppe, sondern gegen jedermann, der sich betroffen fühlt – auch gegen mich selbst.
Er hod a klanes Häusl in der greanen Au. Er hod a guten Posten und a dicke süße Frau. Er tut si bei der Arbeit net de Händ verstauchen. Er kaun an jeden Sundog a Virginia rauchen. Do sogt a mir gehts guat, auf de aundan hau i in huat.
Drauf: Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix. Ober meiner, unter meiner siach i nix. Gspia nix, hear nix und i riach nix, denk i nix und red i nix und tu i nix. Waun da Wind wahd in de Gossn, waun da Wind wahd am Land, waun da wind wahd, do steckt a sein Köpferl in Sand.
Do zag i earm a Stodt aus lauter Fetzen und Scherbn, an Plotz wo de Krankn im Rinnsäu sterbm. Gros in der Schüssl, im Gsicht de Fliagn, de Kinder haum an Wosserbauch und Kretzn am Hian. Sie stinken wie der Mist, damits das net vergißt
Do sogt a: Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix. Ober meiner, unter meiner siach i nix. Gspia nix, hear nix und i riach nix, denk i nix und red i nix und tu i nix. Waun da Wind wahd in de Gossn, waun da Wind wahd am Land, waun da wind wahd, do steckt a sein Köpferl in Sand.
I was an Plotz, do traut sie kana wos sogn. Und rian sie si a bisserl, sans dawischt beim brotn. Do holns de Kiwara um viere in da fruah, eine ins Hefen, de Tür fest zua. Sie brechn erna de Händ und tretns in de Zähnt.
Do sogt a: Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix. Ober meiner, unter meiner siach i nix. Gspia nix, hear nix und i riach nix, denk i nix und red i nix und tu i nix. Waun da Wind wahd in de Gossn, waun da Wind wahd am Land, waun da wind wahd, do steckt a sein Köpferl in Sand.
Es pfeifn de Kranaten, es donnert und kracht. Sie hockn in der Grubn des gaunze Nocht. Sie schiaßn auf ollas wos sie riat. Sie schiaßn dass de Krachn gliat. Da Muada ihre Buam, foin um ois wia de Ruam.
Do sogt a: Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix. Ober meiner, unter meiner siach i nix. Gspia nix, hear nix und i riach nix, denk i nix und red i nix und tu i nix. Waun da Wind wahd in de Gossn, waun da Wind wahd am Land, waun da wind wahd, do steckt a sein Köpferl in Sand.
Die ‚Corona-Krise‘ ist zuallererst eine Gesundheitskrise. Sie wird zu einer Wirtschaftskrise, weil wir – um Krankheits- und Todesfälle zu verhindern – unser Leben ändern, Produktion und Konsum reduzieren müssen. Und sie ist eine soziale Krise. Als ’systemrelevante‘ Arbeitskräfte erweisen sich jene, die wenig bezahlt werden: 24-Stunden-Pflegerinnen, Kassierinnen im Supermarkt etc.
Es gelten Ausgeheinschränkungen und Reisebeschränkungen. Pflegekräfte aber lassen wir mit Sonderzügen und eigens gecharterten Flugzeugen aus zum Beispiel Rumänien ins Land kommen. ‚Weil von uns niemand zu diesen Bedingungen diese Arbeit macht.‘ So oder ähnlich bekommt man zu hören.
Covid 19 offenbart weiters – weil Ansteckungscluster aufgedeckt werden – unter welchen Bedingungen Menschen in Schlachtbetrieben und landwirtschaftlichen Saisonbetrieben arbeiten. Für unser billiges Fleisch und Gemüse. Die Situationen in deutschen und österreichischen Schlachtbetrieben erinnern an die Lebensumstände der ‚Ziegelböhmen‘ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende.
Daher sei die neu aufgelegte und kommentierte Autobiografie von Adelheid Popp ans Herz gelegt:
Jugend einer Arbeiterin
2020 von Sybille Haman im Picus-Verlag neue herausgegeben.
Das Covid-19-Virus – kurz Corona, das die Welt derzeit lahm legt und unseren Alltag radikal verändert, hat sich mutmaßlich auf einem Wildtiermarkt in China die Spezies Homo sapiens sapiens als neuen Wirten auserkoren. Le Monde diplomatique macht sich in seiner Ausgabe vom 13.3.2020 auf die Spuren vergleichbarer Übergänge.
Kühe geben uns Milch. Und Masern.
Es ist nicht neu, dass tierische Mikroben zu menschlichen Krankheitserregern mutieren. In allen Phasen der Menschheitsgeschichte, wenn Lebensräume für Menschen geschaffen und somit den Tieren weggenommen wurden, wenn Tiere domestiziert wurden, passierte Derartiges. Masern und Tuberkulose verdanken wir den Kühen, Keuchhusten den Schweinen, die Grippe den Enten. Das war zur Zeit der neolithischen Revolution (ab 9500 vor unserer Zeitrechnung).
Während der kolonialen Expansion Europas hatten die Lentiviren im Kongo reichlich Gelegenheit, sich neben den Makaken auch den Menschen als Wirtswesen anzueignen. Aus dem Lentivirus wurde HIV. In Bangladesh errichteten Briten Reisfarmen in riesigen Mangrovenwäldern. Die einheimische Bevölkerung kam mit den im Brackwasser lebenden Bakterien in Kontakt. Wir nennen dieses Wasserbakterium heute Cholera. Auf sein Konto gehen bislang sieben Pandemien.
Die rascher werdende Zerstörung unserer Lebensräume macht uns zunehmend verwundbar durch Pandemien. Seit 1940 sind viele krankmachende Erreger in Regionen neu oder wieder aufgetaucht: HIV, Ebola in Westafrika, Zikavirus auf dem amerikanischen Kontinent, eine Vielzahl neuer Coronaviren. 60 % sind tierischen Ursprungs, davon 2/3 von Wildtieren.
Den Tieren schaden die Mikroben nicht. Die Tiere sind auch nicht schuld an den Pandemien. Die Abholzung der Wälder und die wachsende Urbanisierung öffnen den Mikroben Wege, den menschlichen Körper zu erreichen, sich diesem anzupassen und im schlechten Fall in tödliche Krankheitserreger zu verwandeln.
Die Fledermaus brachte Ebola.
Als Ursprung des Ebolavirus wurden verschiedene Fledermausarten identifiziert. Eine Untersuchung in 2017 zeigte: Ausbrüche des Virus in zentral- und westafrikanischen Gebieten waren dort häufig, wo kurz zuvor Wälder in großem Stil gerodet wurden. Die Fledermäuse flüchten in so einer Situation auf die Bäume in Gärten und Farmen. Menschen essen Früchte, die mit Fledermausspeichel bedeckt sind oder kommen in anderer Weise mit Fledermäusen in Kontakt. Jedenfalls hat das Virus, das für die Tiere harmlos ist, zahllose Gelegenheiten, auf die menschliche Population überzuspringen. Ähnlich verlief die Übertragung des Nipah-Virus in Malaysia und Bangladesch sowie des Marburg-Virus in Ostafrika.
Risikozone Wildtiermarkt und Schlachthof
Neben der Zerstörung der Lebensräume der Tiere spielen zwei weitere menschliche Tätigkeiten eine erhebliche Rolle dabei, das Risiko von Krankheitsausbrüchen zu erhöhen:
der Handel mit lebendigen Tieren auf Märkten
die Behandlung der Tiere vor dem Schlachten
So entstand Corona.
Auf Wildtiermärkten sitzen Tiere, die einander in der Natur nie begegnen, auf engem Raum nebeneinander. Wahrscheinlich die Hölle für die Tiere. Sicher das Paradies für Mikroben. Sie können von einem Wirt zum anderen wandern. So entstand 2002/03 das Coronavirus, das die Sars-Epidemie auslöste. So entstand 2019 möglicherweise Covid-19, ‚unser Corona‘, das die jetzige Pandemie auslöste.
Auch die Bedingen auf Schlachthöfen sind für die totgeweihten und als Nahrungsmittel für den Menschen vorgesehenen Tiere eine Peinigung, für die Mikroben ein Fest. Sie finden ideale Bedingungen vor für ihre Verwandlung zum Krankheitserreger. Dringen zum Beispiel Vogelgrippeviren von wildlebenden Wasservögeln in Geflügelmastbetriebe, mutieren sie und werden sehr viel gefährlicher als in freier Wildbahn. Dieser Vorgang ist so zuverlässig, dass er sich im Labor reproduzieren lässt.
Was tun?
Wissenschaftler von Predict, einem Programm der US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID), identifizierten bereits mehr als 900 neuartige Viren, deren Entstehung damit zusammenhängt, dass immer mehr Regionen der Erde vom Menschen verändert werden.
Wenn wir Menschen Pandemien verhindern wollen, müssen wir
die Lebensräume von Wildtieren schützen, damit die Mikroben nicht auf uns übertragen werden
für eine engmaschige Überwachung der Milieus sorgen, in denen Tiermikroben besonders leicht zu Krankheitserregern werden (z.B. Schlachthöfe) und solche Mikroben eliminieren, die Zeichen der Anpassung an den menschlichen Körper zeigen.
Und vielleicht sollten jene Menschen, die vergleichsweise hohen Fleischkonsum verbuchen, denselben zu ihrem eigenen Wohl reduzieren.
Die Washington Post betreibt seit 2007 die website Fact Checker, um falsche oder irreführende Aussagen aufzudecken. Sie prüft in erster Linie Behauptungen von US-Politikerinnen und -Politikern zu Themen von großer Bedeutung. Auch die Aussagen des Präsidenten Donald Trump, der seit 2016 im Amt ist, werden auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Während der ersten 100 Tage seiner Amtszeit verzeichnete Fact Checker 492 falsche Aussagen, Tagesdurchschnitt also knapp 5.
über 16.000 Falschaussagen von 2016 bis 2019
2017 machte der US-Präsident 1.999 falsche oder zumindest irreführende Aussagen (6 pro Tag), 2018 waren es weitere 5.689 (16/Tag) und in 2019 8.155 (22/Tag).
Die Lügenstatistik ergibt folgendes Monatsranking:
Oktober 2018: 1.205
Oktober 2019: 1.159
November 2019: 903
November 2018: 867
Die Spitzenplätze der Monate Oktober und November 2019 sind auf die Untersuchungen und das impeachment-Verfahren im Zusammenhang mit der (versuchten) Einflussnahme des US-Präsidenten auf den Präsidenten der Ukraine zurückzuführen. Trump hat Wolodymyr Selenskyj dazu bringen wollen, eine Untersuchung gegen den früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden, Präsidentschaftsanwärter der Demokraten in 2020, in Gang zu setzen. Fast 1000 Falschaussagen oder irreführende Aussagen des US-Präsidenten haben mit dieser versuchten Einflussnahme zu tun.
Die Pinocchios
Washington Post vergibt Pinocchios für Aussagen, die mehr oder weniger von der Wahrheit abweichen.
1 Pinocchio = überwiegend richtig, allerdings werden manche Fakten verheimlicht, manche übertrieben
2 Pinocchios = ‚halbrichtig‘, es sind deutliche Auslassungen und/oder Übertreibungen enthalten
3 Pinocchios = überwiegend falsch, falsche Aussagen, Widersprüche, Aussagen, die zwar stimmen, aber völlig aus dem Kontext genommen sind
4 Pinocchios = faustdicke Lüge
bodenlose Pinocchios für den US-Präsidenten
Der bodenlose Pinocchio erblickte im Dezember 2018 das Licht der Washington Post, um das Lügendickicht zu erhellen. Der bodenlose Pinocchio wird verliehen, wenn eine Aussage bereits 3 oder 4 Pinocchios erhalten hat und mindestens 20 Mal wiederholt wurde. Mit Status Ende Jänner 2020 konnte der US-Präsident bereits auf 32 bodenlose Pinocchios stolz sein.
Die unbewohnbare Erde. Leben nach der Erderwärmung von David Wallace-Wells
Die heute schon spürbaren und die schlimmstmöglichen Folgen der Klimaerwärmung sind das Thema des Journalisten David Wallace-Wells in diesem spektakulären Report, der die vielen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die die Mehrheit der Menschen oft gar nicht erreichen, begreifbar, ja fühlbar macht. (der Freitag)
Die Klimakatastrophe kommt. Um uns darauf vorzubereiten, sollten wir zugeben, dass wir sie nicht verhindern können. Das schreibt Jonathan Franzen in seinem Kommentar in der Zeitung The New Yorker am 8. September 2019. Seine Einschätzungen muten drastisch an.
hoffen und leugnen
Wer jünger als 60 Jahre ist, hat gute Chancen, Zeuge der radikalen Destabilisierung des Lebens auf der Erde zu sein: Ernteausfälle, apokalyptische Feuer, zusammenbrechende Volkswirtschaften, epische Fluten, Millionen von Flüchtlingen, die aus Regionen fliehen, welche aufgrund von extremer Hitze oder ständiger Trockenheit unbewohnbar geworden sind. Wer unter 30 ist, wird garantiert Zeuge.
Wer sich um den Planeten Erde und die Menschen und Tiere, die diesen bewohnen, sorgt, hat zwei Möglichkeiten: Entweder hoffen, dass die Katastrophe vermieden wird und immer frustrierter oder verärgerter über die Untätigkeit der Welt sein. Oder akzeptieren, dass das Unglück kommt und darüber nachdenken, was Hoffnung bedeuten kann.
In der Öffentlichkeit überwiegt die Hoffnung auf Vermeidung. Obwohl sich die Faktenlage zum Klimawandel in den vergangenen 30 Jahren verändert hat, bleiben die Botschaften gleich. ‚Ärmel aufkrempeln‘, ‚Planeten retten‘, ‚Lösung der Klimaproblem ist möglich, man müsse nur wollen.‘ Dies mag in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wahr gewesen sein, als die Wissenschaft Klarheit über das Ausmaß der von den Menschen verursachten Emissionen in die Atmosphäre bekam. Mittlerweile ist es unrealistisch.
Psychologisch mag diese Leugnung sinnvoll sein. Trotz der ungeheuerlichen Tatsache, dass man sterben muss, lebt man in der Gegenwart und nicht in der Zukunft. Man schenkt seine Aufmerksamkeit lieber seinem Frühstück heute als seinem Tod irgendwann. Und eigentlich ist ja mit dem Planeten noch alles weitgehend normal. Anders als religiöse oder thermonukleare Apokalypsen, denen das Binaritätsprinzip zu Grunde liegt – mit einem Schlag ist die gerade noch funktionierende Welt zerstört – anders als derartige Apokalypsen ist die Klimakatastrophe schleichend. Zunehmend schwerere, chaotische Krisen werden zum Zerfall der Zivilisationen führen.
Es wird also sehr schlecht werden. Aber vielleicht nicht für alle. Und vielleicht nicht für einen selbst.
Stopp der Klimakatastrophe: radikale Einschnitte wären nötig
Die Atmosphäre und die Ozeane können nur solange Hitze aufnehmen, solange der Klimawandel aufgrund von Rückkoppelungen nicht völlig aus dem Ruder läuft. Wissenschafter sagen, dass der kritische Punkt bei einer Erwärmung der Erde um rund 2 Grad Celsius erreicht ist. Laut Intergovernmental Panel on Climate change – I.P.C.C – müssen wir in den nächsten 3 Dekaden erreichen, dass 0 (in Worten: Null) klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Es reicht nicht, den Trend der vergangenen 3 Jahrzehnte umzudrehen.
Gemäß einer Publikation im Magazin Nature würden die CO2-Emissionen der global bereits vorhandenen Infrastruktur bei Nutzung während der normalen Lebensdauer die ‚erlaubten‘ CO2-Emissionen übersteigen. Bei dieser Schätzung sind die zahllosen im Bau befindlichen und geplanten Projekte für neue Energie- und Transportsysteme nicht berücksichtigt. Um innerhalb der erlaubten Grenzen zu bleiben, müsse in den Ländern und länderübergreifend interveniert werden. New York City zu einer grünen Utopie zu wandeln, wird nichts bringen, wenn in Texas weiterhin nach Öl gebohrt und mit dem Pickup gefahren wird.
Interventionen sind auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Die Biotreibstoffförderung der EU beschleunigte die Abholzung in Indonesien für Palmölfarmen. Das ist kafkaesk. Von den amerikanischen Unterstützungen für Ethanoltreibstoff profitierten die Maisfarmer.
Schließlich müssen die Menschen hohe Steuern und Einschränkungen akzeptieren. Sie müssen die Realität des Klimawandels akzeptieren und darauf vertrauen, dass die harten Eingriffe sinnvoll sind. Sie dürfen unliebsame Nachrichten nicht als fake news abtun. Sie müssen Nationalismen, Klassen- und Rassensentiments beiseite stellen. Sie müssen Opfer für Nationen, die in weiter Ferne und Generationen, die in weiter Zukunft leben, erbringen.
auf die Klimakatastrophe vorbereiten
Trotz aller Evidenzen für die Klimakatastrophe, ändert die Menschheit nichts. Statt zu leugnen, sollten wir uns daher die Wahrheit sagen und uns dieser stellen. Die Klimakatastrophe kommt. Bereiten wir uns darauf vor.
Auch mit dieser Einstellung ist es richtig, an der Reduktion der CO2-Emissionen zu arbeiten. Selbst wenn wir die Erwärmung um 2 Grad nicht verhindern können, ist jeder verhinderte Hurrikan, jede verhinderte Flut ein Ziel, auf das hinzuarbeiten lohnend ist. Es ist eine ethische Entscheidung für jede und jeden Einzelnen, sich für die bessere von zwei oder mehreren Handlungsoptionen zu entscheiden.
Unklug ist es, den Hauptfokus auf den Versuch der Vermeidung des Klimawandels zu legen und überwiegend in Megaprojekte für erneuerbare Energien zu investieren, wenn dabei bestehende Öko-Systeme zerstört werden (wie z.B. in Nationalparks in Kenia oder für Wasserkraftprojekte in Brasilien). Das schwächt die Widerstandskraft der Natur zusätzlich. Zudem fehlen dann Finanzmittel für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe nach Katastrophen.
Sobald die Menschheit eingesteht, dass der Kampf gegen den Klimawandel verloren ist, werden andere Maßnahmen wichtiger. Maßnahmen, die die Gesellschaften in den Blick nehmen. Mit zunehmendem Chaos neigt der Mensch zu Tribalismus. Selbstjustiz tritt an die Stelle der Gesetze. Um dem vorzubeugen, muss das sichere Funktionieren von Demokratien, rechtsstaatlichen Systemen und der Gemeinschaften garantiert sein. Die Stärkung zivilisatorischer Errungenschaften kann eine Vorbereitung auf die zu erwartende Klimakatastrophe sein.
Die Hoffnung auf die Umkehr des Klimawandels kann aufgegeben werden. Nicht aufzugeben sind kleine Hoffnungen, genährt durch das individuelle Engagement in Projekte, Institutionen, Orte, Naturerscheinungen, die man für wichtig hält, die man schätzt. Wer weiß, wie überlebenswichtig ‚kleine‘, regionale, vereinzelte Organisationen und Biotope dereinst sein werden.
Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. von Steven Levitsky und Daniel Ziblat
Die Autoren „erzählen aufregende Fallgeschichten, analysieren und vergleichen die historischen Konstellationen weltweit. Deutschland 1932/33 ist dabei, Mussolinis Italien 1922, Chávez’ Venezuela seit 1993, aber auch erfolgreiche, kaum bekannte demokratische Abwehrkämpfe wie in Belgien 1936 oder in Finnland 1930. “ (Zeit online)
70,8 Millionen Menschen galten Ende 2018 als Flüchtlinge, Asylsuchende oder intern Vertriebene. Das waren doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. (Quelle: Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, NZZ). Deutschland hatte 2018 rund 83 Millionen Einwohner, Frankreich rund 67 Millionen, Großbritannien rund 66 Millionen. Mehr Frauen, Männer und Kinder, als in Frankreich leben, waren 2018 auf der Flucht oder emigrierten.
Eine zynische Quizfrage könnte lauten: „Wer beherbergt weltweit die meisten Flüchtlinge? Bringen Sie die folgenden, alphabetisch gereihten Staaten in die entsprechende Reihenfolge:“
Asien und Pazifik
Europa
Naher Osten und Nordafrika
Nord- und Südamerika
Subsahara-Afrika
Türkei
Manche mag die richtige Antwort überraschen:
Subsahara-Afrika sind jene Länder, die ganz oder teilweise südlich der Sahara liegen. Dort leben insgesamt 920 Millionen Menschen und derzeit über 6,3 Millionen Flüchtlinge. Das sind mehr als als ein Viertel aller Flüchtlinge weltweit und mehr als doppelt so viele wie in Europa, wo 746 Millionen Menschen leben.
Uganda bietet 1,2 Millionen Flüchtlingen – die meisten aus den Nachbarstaaten – Schutz, der Sudan 1,1 Millionen und Äthiopien 903.000. Uganda und Sudan nahmen allein 2017 rund eine Million Flüchtlinge, die meisten davon aus dem Südsudan, auf. In vielen Ländern Afrikas übersteigt die Zahl der Immigranten jene der Emigranten (positiver Migrationssaldo). Das gilt für Südafrika (4 Millionen Zu-, 1 Million Auswanderer), Kenya, Äthiopien, Uganda und die Elfenbeinküste. Zu den Immigranten gehören Flüchtlinge und Arbeitssuchende aus den oft ärmeren Nachbarländern.
Laut UNHCR leben 80 Prozent aller Flüchtlinge in einem Nachbarstaat ihres Heimatlandes. Zwei Drittel der Flüchtlinge stammen aus lediglich fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, Sudsudan, Burma, Somalia.
Asylsuchende, die nach Europa reisen
Aus welchen Ländern kommen die Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa reisen? In den ersten 8 Monaten des Jahres 2019 kamen rund 10.000 aus Afghanistan, über 6.000 aus Syrien.
2019 stammen rund zwei Drittel der afrikanischen Migranten in Europa aus Marokko, Kongo-Kinshasa, Mali, Elfenbeinküste und Guinea.
Migrationsabsichten
Laut einer weltweiten Gallup-Umfrage (2017) haben weltweit 14 Prozent der Menschen den Wunsch, zu emigrieren. In Subsahara-Afrika liegt der Prozentsatz bei 31, in Nordafrika inklusive Naher Osten bei 22, in Lateinamerika bei 23 und in europäischen Nicht-EU-Ländern bei 27 Prozent. Das afrikanische Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer erhob 2018, dass 20 Prozent jener Afrikaner, die einen Emigrationswunsch hegen, Europa zum Ziel haben, 47 % ein anderes afrikanisches Land. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen wollen ihr Land verlassen.
Quellen und links
„Sitzt ein ganzer Kontinent auf gepackten Koffern? – Acht Antworten zur Migration aus Afrika“, NZZ, 20.9.2019
Seit 2004 rebelliert die vom Iran unterstützte schiitische Huthi-Bewegung im Jemen immer wieder gegen Regierungstruppen. 2014 übernehmen die Huthis die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa. Am 15. Februar 2015 verurteilt der UN-Sicherheitsrat die Huthi-Angriffe (Resolution 2201). Im März 2015 beginnt eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Sudan und Marokko militärisch gegen die Huthis vorzugehen. Der UN-Sicherheitsrat wiederholt die Verurteilung und Aufforderung zur Beilegung der Feindseligkeiten. LE MONDE diplomatique lenkt in der Ausgabe vom September 2019 im Artikel ‚Europäische Waffen für einen schmutzigen Krieg‘ die Aufmerksamkeit auf die von der Weltöffentlichkeit wenig beachteten Kampfhandlungen und ihre humanitären Folgen.
schlimmste humanitäre Krise des Planeten
24,1 Millionen von 28,5 Millionen Jemeniten sind auf Hilfe angewiesen, 14,3 von akuter Hungersnot bedroht. Bis Ende 2018 hat das Kriegsgeschehen im Jemen rund 60.000 Verletzte und 10.000 Tote gekostet sowie 4,8 Millionen Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Im Februar 2018 warnte die UNO vor der ’schlimmsten humanitären Krise des Planeten‘. Laut NGOs greift die Koalition auch nicht-militärische Ziele an. Zum Beispiel wurde im April 2018 eine Hochzeitsfeier bombardiert (30 Tote, darunter 13 Kinder) und im Oktober 2016 eine Trauerfeier (140 Tote). Im August 2018 wurde ein Bus beschossen (51 Tote, darunter 40 Kinder).
Europäische Organisationen, die sich mit Rüstungskontrolle beschäftigen, kritisieren, dass die im Jemenkrieg eingesetzten Waffen aus den USA und Europa stammen. Zwar verpflichten der multilaterale Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) sowie der ‚Gemeinsame Standpunkt der EU zu Waffenausfuhren‘ die Unterzeichnerstaaten dazu, keine Rüstungsgüter zu exportieren, wenn „eindeutig das Risiko besteht“, dass diese eingesetzt werden, „um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen“. Doch werden Angriffe und Morde an Zivilisten gerne als Kollateralschäden abgetan.
2017 genehmigten die EU-Länder Waffenexporte im Wert von über 17 Milliarden Euro für Saudi Arabien und 5 Milliarden Euro für die Vereinigten Arabischen Emirate. Frankreich hat 2018 Waffen im Wert von 1,4 Milliarden Euro an Saudi Arabien und Militärgüter im Wert von 237 Millionen Euro an die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert. Die beiden kriegführenden Staaten beziehen von den Rüstungsunternehmen aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien komplexe Systeme wie Kampfflugzeuge oder Schiffe. Technologisch einfachere Rüstungsgüter werden in Osteuropa bestellt.
Frankreich rechtfertigt die Waffenexporte einerseits damit, die Existenzfähigkeit und Unabhängigkeit der eigenen Verteidigungsindustrie zu erhalten (Ministerin Florence Parly, 7. Mai 2019), andererseits mit dem Hinweis, dass die Huthis ebenso Kriegsverbrechen begehen und täglich die Grenzen zum strategischen Partner Saudi Arabien verletzen (Abgeordneter Fabien Gouttefarde).
wie Waffenembargos umgangen werden
Erst nach dem Mord am Journalisten Kamal Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul im Oktober 2018 reagierten einige Staaten (Österreich, Dänemark, Norwegen, die Niederlande, Finnland) mit Waffenembargos gegen Saudi Arabien. Für Deutschland erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass es keine Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien mehr gäbe, solange die Ermordung nicht aufgeklärt sei.
Diese Ankündigung betraf die gesamte europäische Rüstungsindustrie, denn Deutschland ist Zulieferer an zahlreiche Unternehmen. Dies ist eine Folge der Restriktionen nach dem Zweiten Weltkrieg. Es war Deutschland verboten, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Man verlegte sich auf die Entwicklung von Einzelteilen, die für andere bestimmt sind. So finden sich zum Beispiel in von Großbritannien nach Saudi-Arabien exportierten Eurofightern Einzelteile aus deutscher Herkunft. Auf Druck aus Frankreich und England schränkte Deutschland das Embargo auf Rüstungsgüter ausschließlich deutscher Herkunft ein.
Deutsche Unternehmen umgehen das Embargo, indem sie über Tochterunternehmen in anderen Ländern ausführen. Die langfristige Strategie der Rüstungsunternehmen sieht vor, sich direkt in Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anzusiedeln. Noch belegen die beiden Länder regelmäßig Spitzenplätze in den Ranglisten der Abnehmer von Rüstungsgütern. Bald werden sie die Ranglisten der Produzenten anführen.